Sonntag, 8. Mai 2016

Episode 52 – Muttertag

 „Sonntag ist Muttertag“ sprang es mir seit einigen Tagen von überall entgegen. Aus Zeitungen, aus dem Fernseher, von Plakaten… selbst als ich die Werbeprospekte am Samstag aus dem Briefkasten nahm, konnte ich den freundlichen Hinweis nicht übersehen.
Die erwartete Explosion auf Facebook folgte zuverlässig am Sonntag. Nie zuvor hatte ich mir ernsthaft über diesen Tag Gedanken gemacht. Ein ganz normaler Tag wie jeder andere, an dem man, zu Recht, bewusst seiner Mutter und allen Müttern im Allgemeinen gratulierte und ihnen dankte. Für ihre Arbeit, Liebe, Mühe und ihre Aufopferung.
Nachdenklich machte mich eigentlich auch erst ein Bild auf Instagram mit den Worten „Einen schönen Muttertag allen Müttern und mütterlichen Frauen“.
Darf man das? Darf man den Muttertag zu einem allgemeinen Tag machen, an dem man auch Nicht-Mütter ehrt? Ist dieser Tag nicht exklusiv den Müttern vorbehalten?

Ich bin grundsätzlich kein Freund davon Begriffe und Formulierungen aufzuweichen: ich kann es nicht leiden, wenn unverheiratete Frauen ihren Partner mit „mein Mann“ vorstellen oder über dessen Mutter als „Schwiegermutter“ sprechen. Ich mag es nicht, den Begriff der Familie aufzuweichen und ich mochte es auch noch nie, zu älteren Damen aus dem Bekanntenkreis „Tante“ zu sagen. Die Tante ist die Schwester von Mutter oder Vater und die Schwiegermutter ist die Mutter deines Ehemannes. Verdien dir die schön klingenden Wörter. Basta.
Zugegeben, damit steh ich heutzutage ziemlich alleine da.

Was ist nun also mit dem Muttertag? Die Männer, machen es sich da wieder einmal schön einfach: Man feiert den Mann an sich: Himmelfahrt, Vatertag, Herrentag… wurscht. Hoch die Gläser Jungs: auf UNS.
Gar nicht so dumm und beneidenswert einfach.

Natürlich haben wir Mädels auch einen Frauentag, aber ehrlich… der gilt doch wieder für alle Frauen. Der Muttertag hingegen teilt die Frauenwelt in zwei Lager: Die Mütter und die Nicht-Mütter.
Was mir immer völlig logisch und gerecht vorkam, hatte dieses Jahr irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Mag es an meinem Alter liegen und daran, dass ich inzwischen etwa so viele Mütter wie Nicht-Mütter in meinem Freundeskreis habe - der Muttertag brachte mich diese Jahr zum Nachdenken. Nicht, weil ich ihn gerne selbst feiern würde, nicht weil ich mit 35 nicht selbst Kinder habe, sondern, weil ich plötzlich das Gefühl bekam, dass dieser, von den Medien und dem Einzelhandel so gehypte Tag irgendwie ein Schlag ins Gesicht für eine ganze Gruppe von Menschen war. Ein trauriger Tag, für all die, die den Muttertag gerne selbst feiern würden und es nicht können. Ein schwerer Tag für die Frauen, die ihr Kind verloren haben, für die Frauen, die verzweifelt versuchen schwanger zu werden, für die Frauen, die durch eine Krankheit niemals Kinder bekommen werden und für die, die einfach nicht den richtigen Mann finden, um endlich eine Familie zu gründen.

An jedem Tag feiern oder denken wir an irgendetwas oder irgendwen. Sei es der Anti-Diät-Tag, der Jogginghosen-Tag oder der Tag der Geschwister… nach Weihnachten, Nikolaus und Ostern sind es der Valentinstag, der Muttertag und der Vatertag, an denen die Wirtschaft ihr großes Geschäft wittert.
Selbst wenn es einen „Herzlichen-Glückwunsch-dazu-wie-phantastisch-du-dein-Leben-meisterst-Tag“ gäbe, er würde wahrscheinlich nicht annähernd so zelebriert werden.
Ich möchte nicht unfair sein. Mütter leisten großartiges und haben jeden Tag Dank und Anerkennung verdient, aber was ist mit den Frauen, die ihre kranken Eltern pflegen, die sich sozial engagieren, die ehrenamtlich Kinder unterrichten und sich täglich bis aufs letzte für andere aufopfern?
Ich habe noch nie eine Fernsehwerbung gesehen, in der der Offsprecher zum Schluss „Nicht vergessen, am 05.Mai ist Tag des Ehrenamtes“ geflüstert hätte…. Oder „Machen sie ihren Liebsten ein Geschenk… am 10. März ist Frauen-ohne-Kinder-die-ihre-alten-Eltern-selbstlos-pflegen-Tag“.
Vorhin erreichte mich eine Nachricht meiner guten Freundin Finja:

„Alles Liebe zum Nicht-Muttertag. Ich finde dich auch so toll“.

Ich wünsche allen Müttern einen schönen Muttertag, besonders meiner, die ihren Job besser macht, als es eigentlich menschenmöglich ist!

Und allen anderen Frauen, die jeden Tag großartiges leisten, obwohl sie (leider noch) keine Mütter sind:

Vielen Dank! Ihr seid wunderbar und eine große Bereicherung für diese Welt!






Sonntag, 22. November 2015

Episode 51 – Morgen ist gestern schon heute 

Es beruhigt mich sehr, dass ich nicht der einzige Mensch bin, der sich beim Blick auf den Kalender jedes Jahr zur gleichen Zeit fast am Frühstück verschluckt.
Wann ist es Winter geworden und wo ist das Jahr nur hin?
Eine Woche vorm 1. Advent, 4,5 Wochen vor Weihnachten und 5,5 Wochen vorm Jahresende kann ich irgendwie nicht glauben, dass das Jahr 2015 schon wieder Geschichte ist.
Als ich mich also vor Kurzem mit meiner lieben Freundin Felicitas traf, um 9 Tage vor dem ersten Advent unseren alljährlichen Adventskranz-Bastel-Nachmittag zu zelebrieren, waren wir beide ziemlich stolz darauf, wie unglaublich pünktlich wir dieses Jahr mit den Vorbereitungen für Weihnachten dran waren.
Voller Motivation stürzten wir uns ins Gedränge und durchforsteten die Geschäfte nach Accessoires, Dekoration und Bastelmaterialien, doch schnell wurde uns klar: so vorbildlich früh dran wie wir gedacht hatten, waren wir dann doch nicht. Schon im ersten Geschäft leuchteten uns Schilder entgegen, die sich mit einem Weihnachtsabverkauf in den Vordergrund drängten. Ich bin wohl die Letzte, die sich über einen „Ausverkauf“ beschweren würde, aber einen Weihnachts-Schlussverkauf am 20.November fand selbst ich irgendwie unsympathisch. Das ganze ließ sich aber tatsächlich noch steigern: auch im nächsten Geschäft, einem Baumarkt, lockte man uns mit 50% auf das komplette Weihnachtssortiment… „Tannenkränze??? Haben wir nicht mehr. Noch ein paar fertige Gestecke vorne beim Abverkauf“. Ich erinnere gerne nochmal daran: 9 Tage vorm ersten Advent.
9 Tage vorm ersten Advent (und wohlgemerkt vorm Totensonntag) wurde ich von der Verkäuferin so missbilligend begutachtet, als hätte ich sie gerade nach der Seele ihres Erstgeborenen gefragt.
Ich finde es gruselig, dass die Weihnachtssüßigkeiten ab dem 01.September im Supermarkt stehen, ich finde es unpassend, dass sich die Regale nach Silvester (und noch lange vor Beginn der Fastenzeit ) vor Ostereiern und Schokoladenhasen nur so biegen und ich frage mich jedes Jahr aufs Neue warum. Ich liebe Weihnachten und ich finde eine lange Zeit der Vorfreude für so ein Fest mehr als angemessen… nur fällt es mir schwer, die Notwendigkeit von Weihnachtsmänner in Supermarktregalen zu erkennen, wenn draußen noch 30 Grad herrschen.
Und ich habe irgendwie auch etwas Angst. Angst davor, in einen Sog gerissen zu werden, in dem alles schneller wird und ein Fest schon wieder „vorbei“ ist, bevor es überhaupt stattgefunden hat.
Wir alle merken täglich, dass sich unser Leben beschleunigt, dass die Zeit nur so an uns vorbei rauscht. Sollten wir da die Feste nicht so feiern „wie sie fallen“?
Wir beendeten unser Shoppingtour schließlich doch noch ziemlich erfolgreich und schließlich auch günstiger als geplant. Vielleicht muss man, wie immer, einfach das Positive in allem sehen.
Ich habe meinen Adventskranz fertig, ich hatte einen wunderschönen Nachmittag und ich habe mir etwas vorgenommen: ich gebe das Tempo vor in dem ich durchs Leben gehe! Der erste Advent ist nächste Woche, Weihnachten weiterhin in 4,5 Wochen und Weihnachtsmänner, Dominosteine und Marzipankartoffeln gibt es erst ab dem 1. Advent!
Ich wünsche euch, ab nächster Woche, eine ruhige, entspannte Vorweihnachtszeit.


Samstag, 14. November 2015

Episode 50 – Barfuß oder Lackschuh

Auf meinem Schreibtisch steht ein Foto, welches ich besonders gerne mag. Es zeigt meinen Opa und mich vor ungefähr 30 Jahren. Die Erinnerungen an ihn beschränken sich auf wenige Jahre und größtenteils auf die Schulferien, sind aber dennoch sehr klar.
Ich erinnere mich an unsere Spaziergänge entlang der Mosel, an unsere Abende vorm Radio, an MEINEN Süßigkeitenschrank und Einmachgläser voller gesammelter Münzen… ein, zwei, fünf Pfennig, sauber sortiert.
Ich erinnere mich auch nach gut 20 Jahren an seine Stimme und ich erinnere mich daran, wie er meinen „Modegeschmack“ immer lächelnd mit „Barfuß oder Lackschuh“ kommentierte. Die Anspielung auf das bekannte Lied aus den 80ern verstand ich erst, als meine Mutter und er es mir irgendwann lachend vorsangen.

Immer wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, erinnere ich mich an all das. Seit gut fünf Jahren blicke ich von hier, aus meinem Fenster, auf die alten Osramhöfe. Ich habe den Wedding lieb gewonnen. Anfangs war es eher eine Zweckbeziehung. Der Wedding war günstig, „zentral“ (man kann ja quasi behaupten in Mitte zu wohnen) und voller schöner Altbauten. Die Romanze begann vor fast 11 Jahren im afrikanischen Viertel und entwickelte sich, zugegeben, sehr langsam. Wedding, der Arbeiterbezirkt, bestach nicht gerade durch Glamour und Style. Lediglich der Plötzensee und die Rehberge gefielen mir ganz gut.
Als ich einige Jahre später nach einer neuen Wohnung suchte, wurde ich mit guten Ratschlägen und Empfehlungen überhäuft: Prenzl’Berg, Reinickendorf, Pankow, Friedrichshain, Lichtenberg… doch da war es schon geschehen. Ich hatte mich verliebt.
Und nicht nur das: ähnlich wie das Herrchen sich dem Hund anpasst, war der Wedding unmerklich zu meinem Bezirk geworden. Der Schillerpark mit seinen unzähligen Kaninchen, die vielen kleinen Cafés und Bars, die Büchereien und Spätis. Und doch konnte ich es lange nicht richtig beschreiben. Die Antwort kam mir, an einem sonnigen Herbsttag im November. Es war in diesem Jahr außergewöhnlich warm, große Laubhaufen türmten sich am Straßenrand und der Wedding war in ein wunderbar warmes Licht getaucht, als ich mich auf den Heimweg von der Bibliothek am Luisenbad machte.
Spontan (und in Erinnerungen schwelgend) nahm ich einen kleinen Umweg durch den Soldiner Kiez. Nahm eine rechts, eine links und stand plötzlich in der Fordoner Straße. Ohne genau zu wissen, wer oder was mich hier hin geführt hatte, schlenderte ich weiter und stand plötzlich vor einem Stein mit der Aufschrift  „Weddinger Junge“…
Harald Juhnke. Irgendwann, irgendwo hatte ich mal gehört, dass er in Wedding aufgewachsen war. Ich hatte schon immer ein sehr gespaltene Verhältnis zu ihm… viele für mich fragwürdige Lebensentscheidungen duellieren sich mit der unglaubliche Liebe, die er für diese, meine Stadt Berlin, offensichtlich immer empfunden hatte. BERLIN, BERLIN statt New York, New York!
Und während ich mich langsam auf den Heimweg machte, begann ich etwas du summen… „Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts…“
Bis heute beschreibt mich dieser Songtitel ziemlich gut: Bequem und etwas gammlig oder aufgestyled und schick gemacht – beides kann ich. Das dazwischen kann ich nicht.
Vielleicht war es genau das, was mich mit dem Wedding verband, was uns zu Verbündeten machten, was mir das Gefühl gab, Zuhause zu sein. Vielleicht hatte Harald Juhnke genau dieses Gefühl in sich getragen, das Leben im Arbeiterbezirkt Wedding im Hinterkopf, den Glamour dieser Stadt vor sich, als er dieses Lied sang.
Wedding ist vieles, aber niemals Durchschnitt. Ein Stadtteil, der dich mit Jogginghose genauso liebt wie mit Highheels… ich suchte den Song auf YouTube und während ich den Titel mittlerweile das dritte Mal hörte, spazierte ich nach Hause. In Jogginghose. Vielleicht ist morgen mal wieder ein Tag für Lackschuhe…







Samstag, 7. November 2015

Episode 49 – Liebesbriefe

Als ich vorletzte Woche durch alte Erinnerungen stöbert, fand ich einen Ordner mit Emails.
Obwohl ich meine private Emailadresse schon seit 18 Jahren habe, gab es doch immer wieder Dienstmailadressen, die hin und wieder für private Zwecke „missbraucht“ wurden.
Während ich durch die alten Mails blätterte, freute ich mich mich, diese damals ausgedruckt und damit gerettet zu haben. Gut 11 Jahre waren die Mails alt, die ich an diesem Nachmittag wie gebannt verschlang.

Es ist schon seltsam. In einer so gut vernetzten Zeit, in der jeder immer und überall erreichbar ist, in der wir täglich problemlos und schnell kommunizieren können, scheint die Bedeutung von Briefen mehr und mehr verloren gegangen zu sein.

Zugegeben, Emails fallen wohl auch in die Kategorie "elektronische, virtuelle" Nachricht, aber auch so eine Emails war vor 15 Jahren nur eine Art Express-Brief… So schön es auch ist, sich schnell mal eine SMS, eine WhatsApp oder eine Nachricht zu schicken, so ist dies doch kein wirklicher Ersatz für den guten alten Brief oder seinen Nachfolger, die Email.
Ich las einige Mails, schmunzelte, wurde nachdenklich und reiste unwillkürlich in die Zeit zurück, in der ich Niko diese Mails geschrieben und seine Antworten erhalten hatte.
Es war schön zu lesen, wie wir damals über uns und unsere Beziehung dachten, es war eine Mischung aus Roman, Liebesbrief und Krimi. Keine Sammlung von Kurznachrichten hätte den Verlauf und die Emotionen so gut wiedergeben können, wie diese Briefesammlung.
Früher hatte man keine andere Wahl, man musste sich Briefe schreiben. Der Brief war dann einige Tage unterwegs bis er den Weg zum geliebten Menschen fand und auch auf die Antwort musste man einige Tage warten. Man musste den Brief per Hand schreiben, Briefmarken kaufen und ihn selbst einwerfen. Der Aufwand den so eine Brief mit sich brachte, war groß genug, um sich ausführlich Gedanken über den Inhalt zu machen. Man schrieb alles nieder, was einem in den Sinn kam, man überdachte jedes Wort, bevor man den Brief schließlich abschickte.
Etwas davon hat zumindest in den ersten Jahren der Email noch überlebt. Ich fand es schön in aller Ausführlichkeit nachzulesen, was dem Anderen damals durch den Kopf ging.
Also setzte ich mich hin und schrieb nach langer Zeit mal wieder einen Liebesbrief.
Ich überlegte ganz genau was ich sagen wollte, ich überdachte jedes Wort, ich wählte Briefpapier und Tinte. Und während ich schrieb, merkte ich, wie ich entspannte. Es hatte etwas meditatives tatsächlich mal wieder am Schreibtisch zu sitzen und ganz in Ruhe einen Liebesbrief zu schreiben, einen Kaffee neben mir und ansonsten absolute Stille.
In einer Zeit, in der alles immer und überall verfügbar zu sein scheint, hat es etwas aufregendes, einen Brief abzuschicken und gespannt auf eine Antwort warten zu müssen.
Ich finde, wir sollten uns alle ab und an Zeit für einen Brief nehmen. Es muss ja kein Liebesbrief sein. Aber haben unsere Eltern, unsere Freunde unsere Liebsten nicht ab und an mehr verdient, als eine SMS oder eine WhatsApp?
Ein Brief drückt eine gewisse Wertschätzung aus und ihr werdet überrascht sein, was so ein handgeschriebener Brief beim Gegenüber auslöst…
Was mein Liebesbrief ausgelöst hat behalte ich für mich… Briefgeheimnis!

Sonntag, 1. November 2015

Episode 48 - Neustart

Immer wenn die Tage wieder kürzer werden und sich das Jahr dem Ende neigt, werde ich nachdenklich und melancholisch und damit steh ich nicht alleine da.
Mag es an der fehlenden Sonne liegen, daran, dass sich die Möglichkeiten minimieren, seine Freizeit mit Freunden an der frischen Luft zu verbringen oder, dass man realisiert, dass man schon wieder ein Jahr älter ist… irgendwas in mir philosophiert im Herbst und im Winter einfach lieber als im Sommer.
Teilweise unbeabsichtigt reflektiert man das Jahr, überlegt was man gut hinbekommen hat und was nicht so toll lief, gleicht seine Neujahrsvorsätze mit dem Ist-Stand ab und macht evtl. Pläne fürs nächste Jahr.
Der 01.Januar ist schon immer der Tag, der für unzählige Menschen den „Neuanfang“ symbolisiert wie kein anderer. Fitnessstudios boomen, WeightWatchers hört die Kasse klingeln, Nichtraucher-Seminare sind ausgebucht. Woran liegt es, dass wir einen Tag im Kalender brauchen, um neu durchzustarten, unser Leben zu reseten und nochmal anzufangen?
Was der 01.01. im Großen ist, ist der Montag im Kleinen. An keinem Tag beginnen Diäten so oft, wie an einem Montag. Vielleicht ist es der Beginn der neuen, jungfräulichen Woche die einen Neustart nach dem exzessiven Wochenende bildet. Vielleicht ist es die Ordnung, die unser Gehirn liebt. Gekoppelt mit diesem Start-Tag-Phänomen ist das Phänomen vorher nochmal richtig über die Stränge zu schlagen. Ein Phänomen welches schon vor unserem Neuanfang zeigt, dass es nichts werden kann…
Ich überlege, wie viele Neuanfänge ich schon feierlich eingeläutet habe und was ich im Vorfeld dafür getan hab, um mein Neustart erfolgversprechend zu gestalten und ich frage mich,  ob ein Mensch einen festen Termin für einen solchen Neustart braucht?
Ist nicht die Einsicht um die Notwendigkeit einer Veränderung der Startschuss zur Veränderung? Betrügen wir uns selbst, wenn wir nach dieser Erkenntnis nicht augenblicklich anfangen?
Ich glaube genau das ist der Grund, warum so viele Versuche scheitern. Wenn man schöne Schuhe sieht, steuert man geradewegs auf sie zu, ohne Umwege und in völliger Panik, sie an einen anderen Interessenten zu verlieren. Hat man sie erst, lässt man sie nicht mehr los, bis man entschieden hat, ob man sie kaufen will. Oder ob man sie sich leisten kann.
Man würde niemals auf die Idee kommen, erstmal noch eine Runde durch den Laden zu drehen und sie sich nächsten Montag zu kaufen. Man macht es sofort oder gar nicht. Oder lässt sie sich wenigstens zurücklegen, bis der Kontostand gecheckt oder die nächste Gehaltszahlung auf dem Konto ist. Warum also zögern wir bei Entscheidungen, die wir bezüglich unseres Lebens gefasst haben?

Das Thema Neuanfang  fasziniert mich. Wir schieben Neuanfänge vor uns her, trauern dem „Alten“ nach, setzten einen Termin und zelebrieren nochmal unsere alte Lebensweise. Wie viele Menschen kenne ich, die vor eine Diät nochmal richtig zulangen, die vor ihrem Neustart feiern gehen, rauchen und trinken.

Während ich meinen Gedanken nachgehe, fällt mein Blick auf meine Balkonkästen, in denen mein verblühter Lavendel traurig vor sich hin trocknet. Ich wollte ihn im Spätsommer eigentlich abernten und trocknen, denn ich liebe den Duft von Lavendel, aber wie so oft, habe ich auch hier den Zeitpunkt mal wieder verpasst.
Während mein Blick also auf den Lavendel fällt, bemerke ich eine kleine Blüte, die sich tapfer durchgekämpft hat. Ich muss unwillkürlich lächeln: was für ein großartiger Zufall und eigentlich der perfekte Abschluss für diese Episode: wenn man neu Anfangen will dann sofort! Ohne Kompromisse und gegen jede Regel. Denn aufgeschoben Anfänge tragen immer einen leichten Zweifel in sich, eine Wehmut das Alte hinter sich lassen zu müssen.
Wenn man wirklich neu anfangen will, warum dann nicht an einem Mittwoch um 16 Uhr?
Wenn Lavendel am 01.November neu erblühen kann, dann können wir das doch wohl auch…



Samstag, 24. Oktober 2015

Episode 47 - Zusammen. Sein. 

Ich wünschte mir, dass jeder freie Tag ein Tag wäre, an dem ich entspannt aufstehen und frühstücke könnte. Dass jedes Mal die Sonne scheint um einen langen Spaziergang zu machen und danach etwas erholsames für mich selbst zu tun. In der Realität gibt es aber meist eine To-Do-Liste, die es abzuarbeiten gilt. „Schreiben“ auf diese zu setzten, macht aus Erfahrung meist keinen Sinn, denn entweder fliegen mir die Gedanken und Geschichten zu oder nicht.
Manchmal trage ich einen Gedanken eine ganze Woche mit mir herum.
Dinge, die mich beschäftigen, Geschichten die ich erlebt habe, aber wenn ich dann Zeit hätte diese zu einer Episode zu formen, wollen sich die Worte nicht richtig finden.
Manchmal ist es auch nur ein einziges Wort, welches mich beschäftig. Dieses Wort liegt dann wie ein Sonnenblumenkern da und könnte zu einer riesigen Pflanze, einer tollen Geschichte heranwachsen, aber mir fehlt einfach das drum herum, die Verbindung, der Inhalt, der aus einem einzigen Wort erst eine Geschichte macht - die Erde, das Wasser und die Sonne sozusagen.
So ähnlich ging es mir in dieser Woche.
Zugegeben, die To-Do Liste, die es an diesem Freitag abzuarbeiten galt war nicht sehr lang. Ich wollte mein Gefrierfach abtauen, den Abwasch machen, die Wäsche waschen (etwas Schreiben !) und ins Nagelstudio fahren. Jahrelang hatte ich nach einem Studio gesucht, in dem ich mich wohl und willkommen fühlen würde.
Allein die Suche nach dem richtigen Nagelstudio könnte eine komplette Episode füllen, aber das hebe ich mir für ein anderes Mal auf.
Vor einem Jahr wurde ich auf einen kleinen Laden am Rand von Berlin aufmerksam. Er gehörte einer Vietnamesin, die ihn komplett allein führte. Zu meiner Überraschung hatte ich festgestellt, dass sie sich wirklich gerne unterhielt, sich Dinge merkte, nachfragte und auch von sich selbst erzählte. Das war ich von den Nagelstudios in Wedding nicht gewohnt und so freute ich mich regelmäßig eine Stunde zu entspannen und etwas zu plaudern.
Ab und an telefonierte sie mit ihrem Mann, aber das störte mich nicht.
Auch an diesem Freitag hatten sich die Gedanken nicht wirklich zu einer runden Geschichte entwickelt und so fuhr ich erstmal zu meinem Termin. Ich hatte gehofft nach einer Stunde Entspannung vielleicht etwas kreativer zu sein, etwas klarer denken zu können. Heute aber bekam ich nicht nur schöne Hände, sondern auch den Inhalt zu meinem Wort, Die Erde für meinem Sonnenblumenkern, auf dem Silbertablett serviert.
Als ich den Laden betrat, telefonierte Linh gerade mit ihrem Mann. Als sie mich sah lächelte sie und legte augenblicklich auf. Ein wenig hatte ich bei den letzten Besuchen schon von ihr erfahren. Sie war verheiratet, hatte Kinder. Sie arbeitete sechs Tage die Woche im Nagelstudio, ihr Mann besaß ein Restaurant in dem er von Montag bis Sonntag arbeitete. Sonntags half sie ihm dort. Sie sahen sich meist nur früh. Kurz bevor sie zu ihrem Laden fuhr stand er auf um mit ihr zu frühstücken. Es gab dann immer etwas warmes, frisch gekochtes zu essen. Zum Einen, weil es für sie nicht ungewöhnlich war, zum Anderen, wie sie mir erzählte, weil es wichtig sei, eine große warme Mahlzeit am Tag gemeinsam zu essen. So stellte sie sich also um 7 Uhr in die Küche und kochte Reis, Gemüse, Fleisch. Wenn sie Abends nach Hause kam, war er noch im Restaurant… manchmal bis früh um zwei, aber wenigstens würden sie am nächsten Morgen wieder gemeinsam Essen.
Gemeinsam. Zusammen. Die Worte die mir die ganze Woche durch den Kopf schwirrten.
Die Definition dieser Wörter beschäftigte mich stark. Wie könnte es auch anders sein, wenn man einige hundert Kilometer entfernt von dem Manschen ist, mit dem man doch eigentlich zusammen sein möchte, mit dem man eine gemeinsame Zukunft plant.
Niko wäre nicht Niko und das Leben wäre nicht das Leben, wenn immer alles nach Plan laufen würde. Die ganze Woche über ging mir ein Satz nicht aus dem Kopf: „Wir gehören zusammen“.
Was so wundervoll klingt, birgt für mich doch eine Menge Erklärungsbedarf. Vielleicht fehlt mir die nötige Phantasie und Kreativität um zu verstehen, wie das mit dem „Zusammensein“ unter diesen Umständen funktionieren soll. Vielleicht habe ich eine sehr klassische Vorstellung davon was es heißt sein Leben „gemeinsam zu leben“…
Linh begann damit meine Nägel zu feilen als ihr Handy erneut klingelte. Sie steckte sich einen der zwei Kopfhörer ins Ohr und  feilte weiter. Wortlos. Anscheinend hörte sie mehr zu als das sie redete. Ab und an hatte ich diese seltsamen Telefonate schon beobachtet, aber heute war etwas anders: ihr Telefon war so laut, dass ich durch den zweiten Knopf hören konnte, was auf der anderen Seite passierte. Ich hörte das klappern von Pfannen und Töpfen, es fiel etwas zu Boden, dann war es still. Zwischendurch schienen sich zwei Leute im Hintergrund zu unterhalten, dann wechselten Linh und ihr Mann ein Wort, wieder Stille, wieder das Klappern von Töpfen.
Einige Zeit lauschte ich, gebannt und so unauffällig wie möglich, dem Treiben, das da aus dem Kopfhörer drang und wünschte mir, ich würde vietnamesisch verstehen und dann kam mir ein Gedanke: die beiden verbringen ihren Tag zusammen! Sie lauschte was er da so machte und er war bei ihr.
Ich finde den Gedanken faszinierend, wenngleich auch etwas traurig. Andererseits schien es sie sehr zu beruhigen ihren Mann bei sich zu wissen.
So vieles halten wir für „normal“, so vieles für nicht verhandelbar, dabei geht es beim Zusammensein  vielleicht nur darum gemeinsam das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Ich halte dies nicht für optimal. Es ist auch keine Beziehung, die ich mir zum Vorbild nehmen will, aber es zeigt wieder einmal, dass jede Beziehung nach ihren eigenen Regeln laufen kann, so lange es die beiden die sie führen näher zueinander bringt. Über 40 km oder über 800…

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Episode 46 – Fairplay

Manchmal scheint es, als würde die Zeit einfach so vergehen. 
Als wäre jeder Tag wie der Andere. 
Manchmal schlage ich meinen Kalender auf und bemerke, dass das Bändchen, welches die aktuelle Woche markiert, noch zwischen den Tagen von vorletzter Wochen klemmt und frage mich dann, wo die Zeit hin ist. 
Manchmal blättere ich zurück und sehe eine Notiz, die einen Countdown bis zu einem bestimmten Tag enthält „Noch 14 Tage bis zum Urlaub“, „Noch 4 Wochen bis…“. Ich erinnere mich dann ganz genau an die Vorfreude und das Gefühl , das ich in diesem Moment verspürte und frage mich, wohin die Zeit ist… 

Wenn ich mir alte Fotos ansehe, von Klassenfahrten, Wandertagen, Trainingslagern oder Kindergeburtstagen wird mir immer bewusst, wie langsam die Zeit vergangen ist, als ich noch klein war. Sommerferien dauerten ewig, eine dreitägige Klassenfahrt fühlte sich wie eine richtige Reise an und Freundschaften schloss man fürs Leben.

Und während ich die Kinderbilder so betrachte, macht sich ein zweites Gefühl in mir breit: ich vermisse die Sicherheit zu wissen, dass man mit der Wahrheit immer auf der richtigen Seite  steht, dass es immer besser ist ehrlich zu sein als zu flunkern. 
Die Sicherheit, dass man Recht bekommt wenn man Recht hat.
Es gab in meiner Kindheit bestimmt Situationen, in denen ich bockig war, weil mir etwas nicht passte, weil ich etwas ungerecht fand. Ich kann mich aber tatsächlich an keine Situation erinnern, in der ich tatsächlich großes Unrecht erlebt hätte. Und selbst wenn wir uns an Situationen erinnern, so sind es meist einzelne Momente, vermutlich entstanden durch Missverständnisse. Das Grundgefühl das beim Betrachten der vielen Bilder bleibt, ist ein tiefes Vertrauen in die Wahrheit.

Ich frage mich unwillkürlich, ob nur ich das so wahr nehmen oder ob es die Welt um mich rum einfach beim Erwachsenwerden verloren hat. 
Es beginnt oft schon im Job. Loyalität, Diplomatie,… schöne Worte, die für die falsche Sache missbraucht werden. Es gibt nur wenig Firmen, in denen die ehrliche Meinung der Mitarbeiter gefragt ist. Gewünscht und erwartet wird ein Klatschen, ein Nicken, ein falsches Lob, dabei wäre wohl vielen Arbeitgebern zu raten, ihren Mitarbeitern für ehrliche Rückmeldungen zu danken. In meinen ersten Jobs hatte ich damit erhebliche Probleme. Es widerstrebt mir zu heucheln und zu lügen und so konnte ich schon mal zur Abteilungsleiterin gehen und ihr sagen, dass ich es unfair fand, dass sie die Aushilfe vor der Geschäftsführung für ihre eigenen Fehler verantwortlich machte. Das kam nicht so gut an.     
Ich fand es auch nur fair, meine Bedenken zu einer geplanten Aktion mitzuteilen, anstatt mit allen anderen vor gespielter Begeisterung auf den Tisch zu klopfen. Auch das kam nicht gut an.

„Mit den Jahren (und mit den Jobs) lernt man, wann es gilt die Klappe zu halten, wann es gilt zu klatschen und wann es gilt zu jubeln“, erklärte mir eine Freundin letzte Woche bei einem Spaziergang.

Ich finde das frustrierend. Da bemühen sich die Eltern um eine gute Erziehung („sei höflich, sei freundlich, lüge nicht, sei fair, sei rücksichtsvoll…“) Und mit einem Schlag soll man als Erwachsener umlernen. 
Vielleicht  wird der Grundstein dafür schon viel früher gelegt. Bestimmt sogar. Alles entscheidet sich ja quasi in der frühsten Kindheit. Ich beobachte immer wieder, dass es auch in diesem Bereich zwei Typen von Kindern gibt. Es gibt die Kinder, die heulen und schreien und strampeln und bocken, weil sie nicht verstehen, warum ‚Lena‘ heute mal die Prinzessin spielen darf. Ich befürchte immer, dass das die Kinder sind, denen auch Zuhause nie viel erklärt wurde. Und dann gibt es die Kinder, die sich ganz schnell beruhigen und aufmerksam zuhören wenn man ihnen erklärt warum ‚Lena‘ das darf und warum das jetzt gerade nur fair ist. Diese Kinder kommen dann danach oft zu mir und erklären, warum sie sauer waren oder überraschen mich beim nächsten Mal mit gut durchdachten Vorschlägen. 
Ich glaube Fairness und Ehrlichkeit liegen in der Natur des Menschen. 
Es sind Grundbedürfnisse, welche im Erwachsenenalter zum Teil aus Angst an Bedeutung verlieren können.
Angst davor, den Kürzeren zu ziehen, Angst vor Benachteiligung, Angst vor Konsequenzen...
Ich freue mich immer, wenn ich auf Menschen treffe, die sich das gleiche positive Gefühl aus der Kindheit behalten haben. Ganz besonders, wenn es Freunde oder Bekannte sind, die in Führungspositionen arbeiten… denn im Grunde ist Mitarbeiterführung ja auch ein klein wenig, wie Kindererziehung und so kann man nur hoffen, dass diese Menschen etwas von ihrer Art an ihre Schützlinge vererben.




Samstag, 26. September 2015

Episode 45 – Geheimcode

Als ich sieben oder acht Jahre alt war fand ich es spannend die „Geheimsprache“ zu lernen, die meine Mama mit meinem Opa sprach… es war eine einfache Verschnörkelung der Wörter – jedes Wort bekam ein kleines „Anhängsel“ und obwohl ich die Sprache schnell lernte, war ich mir schon damals nicht ganz sicher, ob sie wirklich so geheim war. Lag es daran, dass ich wusste wie sie ging oder vielleicht doch daran, dass ihre Aufschlüsselung zu einfach war?
Fast zur gleichen Zeit, vielleicht ein, zwei Jahre später, schrieben ich und meine Freundinnen uns geheime Briefe. Mit Zitronensaft. Man schrieb einen Brief mit dem Saft einer Zitrone, ließ ihn trocknen und musste zum Lesen nur ganz leicht mit dem Bügeleisen über das Papier fahren, um die Schrift sichtbar zu machen. Ich glaube, es war ein Tipp aus einem Mickey Mouse Heft.

Ich bin mir nicht sicher ob es die Liebe zu verschlüsselten Botschaften war oder die grundsätzliche Unfähigkeit einiger Menschen klar und deutlich zu Kommunizieren. Irgendetwas sorgte jedenfalls dafür, dass ich immer wieder an Männer geriet, die dieses „Spiel“ bis ins Erwachsenenalter beherrschten.
Immer wieder wird uns vermittelt, dass Männer „einfach gestrickt“ sind, dass Männer immer das sagen was sie denken und dass wir Frauen uns zu viele Gedanken über das geschriebene und gesagte Wort des Liebsten machen, aber woran liegt es dann, dass wir anscheinend oft nicht die gleiche Sprache sprechen? Ich frage mich ob es so ist, wie mit der Geheimsprache in frühsten Kindheit:
Fühlt es sich für die Männer gar nicht „verschlüsselt“ an? Fragen sie sich, so wie ich damals, warum sie nicht verstanden werden, obwohl es für sie selbst gar nicht so geheim klingt?
Ich versuche es anhand eines (erdachten) Beispiels klarer zu machen: ein Paar streitet sich! Er verlässt wütend die Wohnung, kommt die ganze Nacht nicht nach Hause, geht nicht ans Handy als sie anruft… am nächsten Vormittag schreibt er ihr „Ich weiß nicht was mit mir los war, ich bin ein solcher Idiot, ich brauchte etwas Zeit für mich. Bis heute Abend.“
Zeigt man diese Nachricht einem männlichen Freund so liest er „Man… tut mir leid wegen gestern, musste mal kurz runter kommen. Bis heute Abend.“
Soweit alles gut.
Für eine Frau hingegen beginnt hier die Dechiffrierung der Nachricht, wobei die Anzahl der Möglichkeiten natürlich von Beziehung zu Beziehung variiert:

a) Warum schreibt er nicht „Schatz“ oder „Liebling“ oder „ich liebe dich“?
b) Irgendwas bedrückt ihn, sonst hätten wir uns gar nicht erst gestritten, er weiß  nur nicht wie er mir beibringen soll was es ist… deswegen brauchte er auch Zeit zum Nachdenken.
c) Er ist ein Idiot?  Warum nennt er sich selbst Idiot? Wegen des Streits? Neeeeiiin. Hat er Geld verspielt? Seinen Job verloren?
d) Er denkt drüber nach auszuziehen! Wahrscheinlich will er es nochmal mit mir versuchen, aber in getrennten Wohnungen. Er schaut sich wahrscheinlich  jetzt gerade eine an, damit er nachher direkt seine Sachen mitnehmen kann!
e) O.k er hat mich betrogen!!! Er deutet das an! Heute Abend wird er es beichten. Er brauchte Zeit? Musste er noch zu der anderen? Will er sie heute Abend mitbringen? Scheiße, er verlässt mich.

Wie oft vermuten wir hinter den einfachsten Sätzen einen tieferen Sinn,  eine Vorwarnung, ein verschlüsseltes Geheimnis. Wir fragen unsere Freundinnen nach ihrer Meinung und werden oft auch selbst zur Meinungsbildung hinzugezogen und glauben daher, dass wir Profis sind, wenn es um das Entschlüsseln einer geheimen Nachricht geht.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass uns das nichts bringt (außer vielleicht dem Vergnügen, stundenlang über einen bestimmten  Mann zu philosophieren). Meine liebe Freundin Marlen zog vor einigen Jahren von Berlin nach London. Dort lernte sie ihren Freund kennen, er kam aus Paris. Sie hätte deutsch mit ihm sprechen können, er hätte auf französisch antworten können… sie einigten sich auf englisch. Eine gemeinsame Sprache, die sie beide ganz gut sprachen.
Möglicherweise gibt es auch bei der Wahl der „Beziehungssprache“ drei Möglichkeiten. Vielleicht sollten wir es aufgeben seine Sprache entschlüsseln zu wollen, vielleicht sollten wir einsehen, dass er unsere Sprache manchmal nicht versteht und sollten eine gemeinsame „Sprache“ erfinden…. ein „Kuss“ am Ende einer Nachricht der „alles o.k.“ signalisiert, ein „ich bin ein Idiot“, das „tut mir ehrlich leid“ bedeutet.
… manche Sachen sagen sich halt leichter als andere. Solange wir die gleiche Sprache sprechen gibt es 100 Möglichkeiten „ich liebe dich“ zu sagen.

Samstag, 19. September 2015

Episode 44 – Deal or No Deal

Ich werde nie vergessen, wie ich mit 18 Jahren meinen ersten Vertrag selbst unterschrieb. Es war 1998 und natürlich war es ein Handyvertrag. Klar, man war erwachsen, durfte jetzt selbst für sich entscheiden, aber es war alles noch etwas ungewohnt und beängstigend. Ein Vertrag! Was da alles hätte passieren können… und das ganze Kleingedruckte erst! Jeder warnte einen vor dem Kleingedruckten!
Daher fand ich es wichtig und gut meinen Papa dabei zu haben, der nochmal über alles drüber schaute und das änderte sich auch in den nächsten Jahren und bei allen wichtigen Verträgen nicht. Ich bewunderte Niko, der ganz alleine Mietverträge abschloss, Autos kaufte und verkaufte und scheinbar alle großen Entscheidungen für sich alleine traf. Wie ein richtiger Erwachsener. Auch mit 34 Jahren finde ich es beruhigend, so etwas nicht alleine tun zu müssen.
Ein Deal, ein Geschäft, ein Vertrag,… das sind richtig ernste Dinge und können einem schon beim kleinsten Fehler schwere Verluste einbringen - draußen in der realen Welt in der es nur um Zahlen, Gewinne und Geld geht.
Private „Verträge“ habe ich immer alleine abgeschlossen! Immer! Evtl. habe ich im nachhinein davon erzählt, aber egal ob es um eine Reise, eine Beziehung, eine Freundschaft, ein Versprechen ging die ich da „unterschrieb“, es lag immer bei mir: Ich fliege in drei Wochen in die USA…, ich werde für 5 Wochen nach Thailand…, ich habe mich getrennt…, ich habe XY versprochen…
Warum glauben wir, glaube ich, dass ein „Erwachsener“ sehr wohl über meine offiziellen Verträge einen Blick werfen sollte, bevor ich sie unterzeichne, nicht aber über meine privaten?
Liegt es daran, dass man aus privaten Deals leichter rauskommt, keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat? Wie oft hat man so einen privaten Deal platzen lassen, wie oft wurde ein Deal von der „Gegenpartei“ schon gebrochen? Und welche Schäden, welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Der Schaden der bei einem offiziellen Vertrag entsteht ist meist materiell und von uns allen gefürchtet, der emotionale Schaden den ein geplatzter „Vertrag“ im privaten mit sich bringt scheint nicht ganz so gefürchtet zu sein. Ist es aber nicht dieser emotionale Schaden, der uns in Wirklichkeit viel stärker belastet, der uns schlaflose Nächte kostet und der uns traurig und deprimiert stimmt? Angefangen vom versprochenen Eis, dass es dann nach dem Shoppingmarathon mit den Eltern doch nicht gab, weil die Eisdiele schon zu hatte, bis hin zu den Versprechen die man in einer Beziehung bekam, einen gewaltigen Schaden verursachten sie doch alle: sie zerstörten Vertrauen! Es wurde einem nicht komplett genommen, genau wie bei einem offiziellen Vertrag war man oft nur um ein paar Taler ärmer und um eine Erkenntnis reicher, aber nach und nach bröckelt es, nach und nach verbraucht sich das Guthaben auf dem Konto, besonders, wenn es sich um „Verträge“ mit der immer wieder gleichen Person handelte.
Einen erheblichen Unterschied gab es da aber dennoch: Lernte man seine Lektion bei Firma XY, so hatte man wenigstens gelernt, DIESER Firma nicht noch einmal zu vertrauen. Bei Menschen ist man da großzügiger. Eine Person kann ein Dealbreaker sein… immer und immer wieder und doch unterzeichnet man bei einem verlockenden Angebot auch ein drittes, viertes oder zehntes Mal.
Das Vertrauen in Personen ist wohl einfach größer als in anonyme Firmen und Institutionen, vielleicht überwiegen aber auch einfach die positiven Erfahrungen, die man zwischendurch immer mal wieder gemacht hat.
Ich kann mich dennoch, nach diesem ganzen Monolog über Verträge, Geschäfte, Deals der Frage nicht erwehren: brauchen, nein sollten wir private Verträge nicht vorher von einem Sachverständigen überprüfen lassen?
Wenn wir Herr über UNSER Geld sind, genauso wie Herr über UNSERE Gefühle… wäre es da nicht naheliegend, auch bei Gefühlsfragen eine zweite Meinung einzuholen, bevor wir unterzeichnen und viel wichtiger: sollten wir auf diese dann auch hören?
Ich denke, die Natur hat das ganz clever gemacht: Entscheidungen aus dem Bauch heraus, die Gabe (der meisten Menschen) immer wieder zu vertrauen, zu hoffen und zu verzeihen, ist es, was unsere Spezies am Leben hält, was ein Zusammenleben überhaupt ermöglicht.
Wie schrecklich wäre das Leben, würde man jeden „Vertragsbrecher“ für immer meiden und mit Ignoranz bestrafen. Würde jede gelernte Lektion dazu führen, dem nächsten Menschen vorsichtig und argwöhnisch gegenüber zu treten.
Und so werden wir auch in Zukunft unsere Entscheidungen alleine treffen, Fehler machen, enttäuscht werden… oder überrascht, erleichtert, belohnt.
Das Leben ist ein riesiges Abenteuer und wenn man sehr viel Glück hat kann man den Deal seines Lebens abschließen.

Samstag, 12. September 2015

Episode 43 – Glaskugel 2.0

Manchmal dreht man sich im Kreis. Man kann sich hundert mal über das gleiche Thema streiten und doch zu keiner Lösung kommen, man kann die eigene Tagesplanung 10 mal überdenken und immer wieder zum dem Ergebnis kommen, dass der Tag einfach zu wenig Stunden hat um alles darin unterzubringen und manchmal stellt man auch fest, dass die Episode, die man schon vor 1,5 Jahren geschrieben hat, genau das ausdrückt, was man gerade empfindet.
Wir alle streben nach Weiterentwicklungen. Wir sind uns sicher, dass wir, wenn schon älter, doch wenigstens auch erfahrener, klüger, besser werden. Wir kämpfen ständig mit den beiden kleinen Stimmen.
Der etwas altklugen Stimme, die uns belehrt und die Vergangenheit belächelt.
Der Stimme, die uns einredet, dass wir die Vergangenheit hinter uns gelassen haben, dass wir nun jemand anderes wären und die Probleme aus vergangenen Tagen nicht mehr die unseren sein können.
Und dann gibt es da die Stimme, die uns warnt.
Das kleine Mädchen in uns, dass sich sehr gut an die Schmerzen, Zweifel und Ängste der Vergangenheit erinnern kann und sich insgeheim fragt, warum es denn jetzt anders sein soll.
Mitte 20 ist die erste Stimme meist ziemlich laut und in vielen Entscheidungen sehr dominant. Wir wissen es besser. Wir glauben aus den Fehlern unserer Jugend gelernt zu haben. Man ist gerade erwachsen genug, um zu wissen, wie das Leben funktioniert und noch immer jung genug, um sich in jedes neue Abenteuer zu werfen, das das Leben für einen bereit hält.
Mitte 30 sieht das schon wieder ganz anders aus. In einem Alter (und hier wiederhole ich mich nun) in dem viele Frauen nach Sesshaftigkeit, Haus, Ehemann und Familie streben, scheinen sich Männer Mitte 30 oft noch nicht so wirklich gefunden zu haben.
Mit 24 verlassen zu werden ist furchtbar und zerreißt einem das Herz, eine Beziehung mit 34 aufzugeben, ist für viele Frauen so etwas wie das Ende der Welt.
Es ist in diesem Moment nicht nur der Herzschmerz und der Abschied von dem geliebten Partner, sondern auch oft das Ende eines schönen Traums von Haus, Hund, Mann und Kind.
Natürlich kann man nicht alle Männer und alle Frauen um die 30 über einen Kamm scheren. Natürlich gibt es auch Männer die sich sehnlichst eine Familie wünschen und Frauen, die ihre neu gewonnene Freiheit ausleben… wenn ich mich aber umsehe, mit Freundinnen spreche oder in mich selbst reinhorche, so stelle ich doch fest, dass die Stimme des kleinen unsicheren Mädchens mit jeder Trennung die wir fern der 20 verkraften müssen lauter wird.
Auf einmal zweifeln wir daran etwas gelernt zu haben. Wir zweifeln daran, dass je wieder einer kommen wird, der uns gefallen wird, dass wir je wieder Lieben werden. Wir fragen uns, warum es je anders werden sollte, warum der nächste Mann UNS treu sein sollte und am schlimmsten: wir stellen uns selbst in Frage. Wir zweifeln an unserem Aussehen, unserer Intelligenz, unserem Humor…
Es bricht mir das Herz mitanzusehen wie immer wieder bildhübsche, intelligente, interessante Frauen in einen Strudel von Selbstzweifeln gerissen werden, nur weil der letzte Partner sich nicht „sicher“ war, oder einfach nicht früh genug zugeben konnte, dass er selber gar nicht weiß, was er will. Was daraus folgt ist ein Orakeln 2.0.
Es ist wie der Blick in eine Glaskugel in der wir unsere Zukunft, verzerrt und unrealistisch betrachten und wir fangen an diese Jahrmarktattraktion, die wir im realen Leben für Hokuspokus halten würden, ernst zu nehmen. Wir können erwachsene Frauen sein, mit guten Jobs und tollen Wohnungen, wir wissen rational ziemlich genau, dass niemand sagen kann, was die Zukunft bringt, aber denken dennoch, ganz genau zu wissen was passieren wird…
Die selbsterfüllende Prophezeiung beschreibt das Phänomen, dass ein erwartetes Verhalten einer anderen Person durch eigenes Verhalten erzwungen wird. Erwartet jemand ein bestimmtes Verhalten von seinem Gegenüber, erzwingt er durch eigenes Verhalten genau dieses Verhalten.
Den Begriff erwähnte Otto Neurath erstmals 1911. Als Auslöser für die Verbreitung beider Begriffe gelten jedoch mitunter Paul Watzlawick und Robert K. Merton. Dieser bezeichnete den Denkfehler, die eigene Rolle zu übersehen und die Ereignisse dann als Beweis für die eigene Vorhersage anzuführen (soweit Wikipedia).

Aber ist das so einfach? Sind wir selbst „schuld“ am Verlauf unserer Beziehung oder sind die Männer alle verkorkst?
Und viel wichtiger: Zerstören wir durch unser Verhalten konsequent unsere Beziehungen?
Ich sage mir das Gleiche, was ich Finja am Sonntag sagte: wir sind keine 20 mehr (und das ist gut so), aber wir sind auch noch jung genug uns auf ein Abenteuer einzulassen. Ein Abenteuer, welches jede neue Beziehung mit sich bringt und vielleicht können wir von unserer Vergangenheit nicht nur die negativen Erfahrungen mit in die nächste Beziehung mitnehmen, sondern auch ein wenig von der ersten, selbstbewussten Stimme die uns sagt, dass wir durchaus, besser, klüger und irgendwie ein bisschen „weiser“ geworden sind.
Diese Stimme die in unsern 20ern so dominant und unerschrocken war und uns dazu gebracht hat, offen und mutig in eine neue Beziehung zu starten.
Eine Beziehung ist Arbeit und selbst Hollywood zeigt uns nicht, was nach dem Happy End passiert.
Vielleicht ist es Zeit die Glaskugel im Keller einzumotten. Natürlich sind wir nicht mehr 20 und ich plädiere nicht dafür blauäugig und naiv in die nächste Beziehung zu stolpern, sondern neugierig und offen. Jede von meinen Freundinnen hat den Jackpot verdient… und ich bin mir sicher, den werden sie finden… auch ohne Glaskugel!


Samstag, 5. September 2015

Episode 42 – Linie 1

Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, verliebte ich mich in ein öffentliches Verkehrsmittel: die Lini1.
U-Bahn fahren mochte ich noch nie wirklich, vielleicht mal ein paar Jahre als Kind, zusammen mit meiner Mama oder meinem Papa die mich vor der ganzen Welt beschützen konnten – damals, als die Fahrt durch den schwarzen Tunnel von der Reinickendorfer Straße bis zur Kochstraße eine halbe Ewigkeit zu dauern schien.

Später, als die Mauer schon lange weg war, fuhr ich täglich allein U-Bahn. Alleine zu fahren war immer etwas gruselig. Es fühlte sich immer so an, als wäre in der U-Bahn ein anderer Menschenschlag anzutreffen. Alles wirkte düster, irgendwie schmutziger als oben bei Tageslicht. Egal ob in Berlin, New York oder Rom: wer regelmäßig U-Bahn fährt, hat alle Abgründe  der Menschheit schon mindestens einmal gesehen. Ich kenne keinen Ort in Berlin, an dem man brutaler und härter mit der Realität konfrontiert wird, als in der U-Bahn. Es ist eine große Bühne, realer als jede Realityshow bei RTL2 je sein könnte.
Lange bevor es RTL2 gab, dachten sich Birger Hermann und Volker Ludwig anscheinend genau das, als sie ihr Stück „Linie1“ schrieben und komponierten. Ein Stück, welches mich von der ersten Sekunde in seinen Bann und in die schmutzige, düstere, leicht depressive Welt des Berliner Untergrunds entführte. Damals, als Teenager, kam mir das alles so echt vor, heute liebe ich noch immer die Musik, muss aber zugeben, dass ich mich mit der Geschichte persönlich nicht mehr identifizieren kann. Als ich mir das Stück vor zwei Jahren erneut ansah, musste ich immer wieder lächeln, mein jüngeres ich, das Mädchen, dass dieses Stück vor ca. 16 Jahren so aufgesaugt hatte, war schon lange verschwunden. In den Bann zog mich lediglich noch der männliche Hauptdarsteller… und selbst der war (nüchtern und bei einem gemeinsamen Kaffee genauer betrachtet) ziemlich langweilig.

Die Berliner U-Bahn sah mich in den nächsten zwei Jahren so gut wie gar nicht, die U-Bahn in Rom und New York notgedrungen schon. War es doch immer noch die günstigste und schnellste Möglichkeit von A nach B zu gelangen. Und schließlich, an einem sonnigen Urlaubstag im August, wollte ich mich auch mit der Berliner U-Bahn versöhnen. Zugegeben, es fiel mir nicht ganz leicht mich bei jemandem für ein zu schnelles Urteil und einen Haufen von Vorurteilen zu entschuldigen, der schon beim ersten Wiedersehen nach Schweiß und Urin roch. Die Tatsache, dass ich jeden Tag viele Menschen um mich habe, viele Geräusche und Gespräche auf mich einprasseln machte die Vorstellung von einem Bad in der Menge nicht gerade attraktiver.
Ich startete vorsichtig, mit dem was ich kannte, bekanntes Terrain sozusagen: die U6.

Ich will euch jetzt nicht mit einer schnöden U-Bahnfahrt langweilen, was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, das wir es geschafft haben, die U-Bahn und ich meine ich. Wir sind jetzt wieder Freunde.
Ohne es provoziert zu haben, war ich plötzlich wieder Zuschauer und Zuhörer. Zwei Damen saßen mir direkt gegenüber und unterhielten sich etwas lauter, als angebracht. Die eine Anfang 40, die andere vielleicht Anfang 50:

„Mein Freund ist ja heute Abend zurück“ sagte die jüngere, „wir haben uns ja eigentlich halb getrennt, mal sehn wie das wird. Wir sind ja nachher noch bei seinen Eltern eingeladen“.

Die ältere nickte abwesend „der Bulgare hat mich letztens auf ne Kaffee eingeladen, ich hab dann extra deutlich erwähnt, dass ich seine Frau auch gerne mal kennen lernen würde. Der ist ja eigentlich verheiratet. Und hat zwei Kinder“…

„Das Kind meiner Freundin ist ja jetzt auf einer privaten Schule mit dem Fokus auf deutsch, Kunst und Musik, sie hat da echt ne Ader für“

„Weißt du, wer echt Talent hat? Meine zweijährige Nichte. Die malt Bilder, du denkst das ist von nem großen Künstler oder so. Und das mit zwei Jahren!!!“

Ein Gespräch, aus zwei Monologen.

Ich musste lächeln und schaute schnell aus dem Fenster. Die Bahn rattert gerade durch den Tunnel und alles was ich in der Scheibe sehne konnte, war mein Spiegelbild. Kurz war ich versucht, meinem jüngeren ich zuzuzwinkern, aber aus Angst, von den anderen Fahrgästen selbst als Freak abgestempelt zu werden, ließ ich es und schaute schnell zu Boden.

Als ich schließlich ausstieg und mich mit einer kleinen Shoppingtour belohnte, wurde mir klar, dass es sich mit der U-Bahn genauso verhielt, wie mit Linie1 im Grips Theater: mit etwas Abstand betrachtet war es zwar immer noch die selbe Bühne, für mich aber nicht mehr das selbe Stück. Vielleicht, so überlegte ich, war es an der Zeit, auch andere „Stücke“ ein zweites Mal zu sehen und die Sichtweise des 15 jährigen Mädchens nochmal zu überprüfen. Und das mache ich jetzt.
Heute Abend starte ich mit Oliven.
Die mochte ich noch nie.
Man muss klein anfangen…



Samstag, 29. August 2015

Episode 41 - …und wer froh ist, ist ein König… #100happydays, Part2

Keine Ahnung, wie ich auf den Kanon aus Kindertagen kam, als ich nach einem geeigneten Titel für Teil1 und Teil2 meiner #happyday Episoden suchte.
Nachdem ich den ersten Teil letzte Woche veröffentlicht hatte, bat ich meinen Freund Google, doch in den Weiten des Internets einmal zu recherchieren, ob und wie dieses beliebte Kinderlied weitergeht.
Zugegeben, nach der ersten Textzeile, dem bekannten Teil der auch heute noch gern zweistimmig im Musikunterricht gesungen wird, ist die Message schon klar.
Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.
Als Google mir dann aber brav den kompletten Text mit allen 10 Strophen apportierte, freute ich mich doch sehr, eine so gute Beschreibung und Zusammenfassung zu der #100happydays Aktion gefunden zu haben.

„Täglich darf ich spielen, springen, leben, lernen, Lieder singen“

Ich startete an einem Donnerstag, genauer gesagt am 09.April.
Die ersten Tage waren voll von schönen, "post-baren" Momenten. Eine Geburtstagsfeier wurde von einem Nachmittag bei meiner guten Freundin und meinem Patenkind abgelöst, darauf folgte ein erlebnisreicher Samstag mit meinen Mädels, gefolgt von einem Grillabend mit Freunden.
Auf vier vollgeplante Tage folgte schließlich, unvermeidbar, der Montag und hier stand ich zum ersten Mal vor der Herausforderung etwas zu finden, was mich an einem Montag, mit 11 Stunden Arbeit und ohne private Verabredungen glücklich machen könne.

„Täglich schenkst du Sonnenschein, Licht und Leben, Groß und Klein“

Oft hatte ich Freundinnen schon gesagt, dass man manchmal auch selbst für kleine Highlights im Alltag sorgen muss. Dass man die Verantwortung nicht komplett abgeben darf, sondern sich auch selbst glücklich machen sollte. Hin und wieder, so stellte ich fest, half es auch, sich selbst mal zuzuhören und die eigenen Ratschläge zu beherzigen.

„Schufst auch mich, gabst mir das Leben und willst vieles mir noch geben“

An diesem ersten Montag meiner #100happydays, ging ich das erste Mal wieder alleine frühstücken. Das hatte ich das letzte Mal vor über einem Jahr getan. In der Zeit in der ich keinen Kontakt zu Niko hatte und viel Zeit mit mir und meinen Gedanken verbringen wollte. Ich trank Kaffee, las Zeitung, ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. In den nächsten Tagen und Wochen kaufte ich mir Blumen, ich stand tatsächlich um 8 Uhr auf, um vor der Arbeit noch einen Spaziergang durch den Park oder den Wald oder um den See zu machen, ich setzte mich nach einem langen Arbeitstag  mit der Vogue in eine kleine Bar und gönnte mir eine Margarita. Und auch wenn es anfänglich ein Gefühl von „ich muss heute noch was schönes machen“ war, so war es im Nachhinein doch immer ein gutes Gefühl und eine Bereicherung.

„Bunte Wiesen, Schmetterlinge,  Luft und Wasser, schöne Dinge“

Schnell merkte ich, dass mich Kleinigkeiten erfreuten, Kleinigkeiten, an die ich unter anderen Umständen gar nicht gedacht hatte. Am Wasser zu sitzen, während die Sonne unterging, das Licht durch die Bäume im Wald fallen zu sehn, Eichhörnchen zu beobachten, meine Katze zu kraulen und dem Schnurren zu lauschen oder einfach mit einer Kollegin noch ein Feierabendbier zu trinken. Die bewusste Suche nach einem „glücklichen Moment“ der in irgendeiner Form über Facebook als happyday veröffentlicht werden konnte, sorgte dafür, jeden Tag bewusster zu leben und sensibler zu reflektieren.

„Sollt‘ ich da nicht dankbar sein und mein Bestes geben drein?“

Hin und wieder gab es Tage, an denen nichts „besonderes“ geschah, an denen ich mich nicht aufraffen konnte früh aufzustehen und etwas zu unternehmen. Manchmal ging ich dann alle Nachrichten in meinem Handy durch, die ich an diesem Tag bekommen hatte. Nachrichten via WhatsApp, Mail, Sms oder Facebook gehen täglich in so hoher Frequenz bei uns ein, dass sie oft nur nebenbei überflogen werden. Aber warum sollten elektronische Nachrichten weniger wert sein als Briefe oder Karten? Sich an solchen Abenden bewusst zu machen, wie viele Freunde mir tatsächlich über den Tag liebe Nachrichten  geschrieben hatten ließ mich dankbar werden. Dankbar, für die vielen tollen, aufmerksamen, besorgten, hilfsbereiten Menschen die an diesem Tag an mich gedacht hatten. Dankbar für ein Gefühl von Zufriedenheit.

„Alles ihm zur Ehre tun, seine Schöpfung lieben nun.“

Viele Freunde schrieben oder sprachen mich auf die Aktion an. Reaktionen wie „hast du 100 Tage Urlaub?“ oder „ist das ein Countdown zu einem bestimmten  Ziel?“ waren dabei. Gerne erklärte ich die Aktion und den Sinn dahinter und einige meiner Freunde und Bekannten begannen ebenfalls damit ihre persönlichen #100happydays zu posten.

„Deshalb will mein Lied ich singen, Lob und dank dem Schöpfer bringen.“

Viele Entscheidungen traf ich aufgrund dieser Aktion. Viele Entscheidungen traf ich aus dem Bauch heraus und ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich viele Verabredungen abgesagt und einige Kurztrips nicht gemacht hätte. Viele schöne Begegnungen wären mir entgangen. Aus Faulheit, weil ich müde war oder „keine Zeit“ gehabt hätte. Rückblickend war ich deswegen aber nicht gestresste oder unausgeschlafener sondern ausgeglichener.

„Er ist Anfang er ist Ende, hält auch über mich die Hände.“

Die letzten 7 Tage befiel mich eine gewisse Melancholie. 100 Tage lang hatte ich jeden Tag etwas von mir preisgegeben. Es war ein Druck der von mir abfiel nicht mehr jeden Tag etwas posten „zu müssen“, gemischt mit dem stolz es „durchgezogen“ zu haben. Vor allem war es aber traurig. Es war ein kleiner Abschied. Abschied von gut drei Monaten die wunderschön, voller Erlebnisse und Überraschungen  so viel glücklicher abgelaufen waren, als ich es zu Beginn erwartet hatte.

„Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter“ ist ein Spruch, mit dem ich nie was anfangen konnte. Wüsste ich, dass der nächste Tag mein letzter wäre, würde ich alles anders machen. Ich würde alle Freunde kontaktieren, ich würde alle Menschen zu mir einladen die ich liebe, ich würde mit meinen Eltern spazieren gehen und ich würde (so sehr ich meinen Job auch mag) NICHT arbeiten gehen. Es ist also völlig unmöglich JEDEN Tag so zu leben.
Man kann aber durchaus jeden Tag dankbar sein. Jeder Tag birgt etwas wunderbares in sich! Manchmal ist es winzig, manchmal nur ein liebes Wort, eine Einladung zum Essen oder Mondlicht, dass sich im Wasser spiegelt… man muss es nur erkennen.

"Froh zu sein bedarf es wenig, der die Freude schuf ist König."



Samstag, 22. August 2015

Episode 40 - Froh zu sein bedarf es wenig... #100happydays, Part1

Ich habe einen neuen Lieblingssender: ZDFinfo.
Ich verdanke das Niko, der eines Abends auf die grandiose Idee kam, meine Fernsehsender alphabetisch zu sortieren, sowie meinem Tick, rückwärts  zu zappen.
Obwohl ich die neue Sortierung am Anfang etwas nervig fand, muss ich doch zugeben, das ich bei der riesigen Auswahl an Programmen unter anderen Umständen wahrscheinlich nie bei ZDFinfo angekommen wäre.
Der ein oder andere kritische Leser fragt sich jetzt vielleicht, warum meine Episode mit Schwärmereien über ZDFinfo startet: ganz einfach, weil ich da gestern durch einen kleinen Zufall (und meine Rückwärts-zapp-macke) den Einstieg zu dieser Episode gefunden habe.

Ich habe schon so viele Reportagen über Berlin gesehen. Berlin vorm Krieg. Berlin im Krieg. Berlin nach dem Krieg. Berlin und die Mauer. Berlin und der Mauerfall… diese war trotzdem anders und wunderschön, denn sie erzählte die Geschichte von Menschen, die ihr Glück nicht trotz, sondern gerade wegen der Berliner Mauer gefunden haben.
Eine junge Frau, 18 Jahre, arbeitete im Westen, wohnte aber im Osten. Täglich „pendelte“ sie, so auch am Tag des Mauerbaus. Nach der Arbeit beschloss sie, noch in eine kleine Bar zu gehen... oder ein Tanzlokal? Keine Ahnung, wie man das 1961 nannte.
Sie beobachtet dort einen Musiker. Die Beiden kommen ins Gespräch, flirten und so vergisst sie die Zeit. Als sie schließlich wieder nach Hause „reisen“ möchte, ist die Mauer zu. Der junge Musiker, selbst er 19, bietet ihr an, die Nacht bei ihm und seiner Mutter zu verbringen. Auf der Couch im Wohnzimmer versteht sich. Es ist schließlich 1961. Man ist sich sicher, dass sich in den nächsten 48 Stunden schon alles klären wird. Aus 48 Stunden werden Tage, aus Tagen Wochen. Die Mutter des Musikers ist genervt von dem „Dauergast“. Zu klein ist die Wohnung in Wedding. Um eine eigene Wohnung zu bekommen, hält er schließlich um die Hand der jungen Frau an. „Es war die einzige Möglichkeit für uns“ erzählt die 72 jährige Frau im Fernsehen, die in diesem Jahr ihren 54. Hochzeitstag feiert. Und sie sagt etwas, das so wahr ist und was ich für diese Episode an keinem besseren Beispiel hätte erklären können: „Glück ist oft nur eine Frage der Perspektive und der Interpretation. Und das Glück ist individuell. Der Mauerbau, der für viele Familien so schrecklich war, vieles zerstört hat, war für mich persönlich das Glück meines Lebens.“
Glück. 
Vor einigen Jahren ging eine sehr interessante Studie durch die Medien: „Envy on Facebook: A Hidden Threat to Users‘ Life Satisfaction?“
Das ganze hört sich kompliziert an, beschreibt aber im Grunde nur folgende Situation:
Soziale Netzwerke lösen, einer Studie zufolge, bei einem Teil ihrer Nutzer negative Gefühle aus. Der Grund hierfür liegt im Neid. Man sieht das Leben seiner Freunde, welches (natürlich) sehr positiv dargestellt wird. Man vergleicht sein eigenes Leben zwangsläufig mit dem seiner Freunde. Da wird nicht bedacht, das Petra seit 9 Monaten keinen Urlaub hatte, sich gerade von ihrem Mann getrennt hat und den Mallorca Urlaub nur mit Schulden finanzieren konnte. Was hängen bleibt ist: Petra hat grad die Zeit ihres Lebens auf Mallorca, während man selbst arbeiten muss. Um diese negativen Gefühle zu kompensieren, komme es zu einer ausgeprägten Selbstpräsentation - die wiederum Neidgefühle bei anderen hervorrufe. Die Forscher sprechen von einer "Neidspirale".
Die Frage die ich mir in diesem Zusammenhang vor einigen Monaten gestellt habe war: was macht mich täglich glücklich? Und hier schließt sich der Kreis nun endlich. 100 Tage wollte ich jeden Tag ganz bewusst etwas finden, was mich glücklich machte. Und ich wollte es teilen. Nicht um die Neidspirale anzukurbeln, sondern um darauf hinzuweisen, dass man jeden Tag ein klein wenig glücklich sein kann, wenn man sich sein persönliches Glück nur bewusst macht. An manchen Tagen waren es Blumen, an manchen Tagen das Gulasch von Mama und an anderen verrückte Dinge, wie ein spontan Trip nach New York… es waren 100 Tage voller Abenteuer. Schlussendlich gebe ich heute der Dame bei ZDFinfo recht: Glück ist oft nur eine Frage der Perspektive und der Interpretation. In jedem Tag liegt ein Stück Glück. Mehr dazu nächste Woche.

Samstag, 15. August 2015

Episode 39 - Forderungen und Verbindlichkeiten

Ich muss zugeben, dass ich wirklich tolle Freundinnen habe. Allesamt bildhübsch, intelligent und witzig und obwohl jede für sich einzigartig ist und keine der anderen ähnelt, haben unsere Freundschaften doch alle eine ähnliche Dynamik:
Mal ist der Kontakt sehr intensiv (meist in Phasen, in denen das Leben ein paar Stolpersteine für einen von uns bereithält), mal brauchen wir etwas länger, um uns wieder zusammen zu finden.
Mit Verabredungen läuft es ganz ähnlich.
Da gibt es die spontanen Verabredungen, die getroffen werden, wenn sich plötzlich eine Lücke in unseren stressigen Leben auftut und die lange geplanten. Ich liebe es, wenn meine Freundin Finja mich spontan anruft, weil ihr Freund länger arbeiten muss und ich tatsächlich grad Zeit habe auf ein Glas Wein rum zu fahren, oder wenn ich Esther nach einer Frühschicht anrufe, um mich nach der Arbeit noch auf nen Kaffee mit ihr zu treffen und sie zufällig grad keine anderen Pläne hat.
Solche spontanen Treffen können einem manchmal den Tag retten.
Wenn ich mich spontan mit meinen Freundinnen verabreden will, gibt es dafür meist nur einen Grund: ich habe Sehnsucht nach Gesellschaft.
Das klingt pauschal erstmal nicht so nett. Sehnsucht nach Gesellschaft hört sich sehr allgemein an, sehr unpersönlich. Wenn ich aber etwas genauer darüber nachdenke ist es doch genau das. Warum verabrede ich mich denn nach einem langen Arbeitstag oder an meinem einzigen freien Nachmittag, anstatt in Ruhe auf der Couch zu gammeln, oder etwas Zeit mit mir selbst zu verbringen?
Natürlich ist es eine Art von Sehnsucht! Sehnsucht nach einem bestimmten Menschen oder danach einfach zu reden und etwas abgelenkt zu werden. Spontane Anfragen meiner Freundinnen sind für mich also absolut positiv.
Zu diesem Urteil kam ich, während ich mit meiner lieben Kollegin im Auto saß und mal wieder in eine Unterhaltung über Männer und Beziehungen verwickelt war. Ihr Freund hatte sie wenige Minuten zuvor angerufen und gefragt, ob sie spontan Zeit hätte sich mit ihm zu treffen und sie hatte, ein wenig genervt, zugesagt. Genervt, weil sie ihn schon vor drei Tagen gefragt hatte, ob er Mittwoch Abend Zeit hätte, mit ihr ins Kino zu gehen, worauf er mit einem unschlüssigen "ich weiß noch nicht, Phillip wollte vielleicht was trinken gehen" geantwortet hatte. Ich kannte diese Situation nur zu gut und verstand, was sie nervte: eine geringe Entscheidungsfreude wenn es um eine verbindliche Verabredung mit ihr ging, gefolgt von einer spontanen Sehnsucht, sie doch zu sehen. Verbindlichkeit scheint in Beziehungen immer wieder ein Thema zu sein, welches zwischen Männern und Frauen für Konflikte sorgt. Verbindlichkeiten bezeichnen im Schuldrecht die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger.
Das klingt ziemlich unattraktiv. Danach ist eine Verbindlichkeit eine Schuld, eine Last, eine offene Rechnung.
Kein Wunder also, dass so etwas für einige Männer nicht sonderlich erstrebenswert klingt.
Ich dachte an meine Mädels. Das besondere an unseren spontanen Treffen war, dass sie sich zusätzlich und unerwartet zu unseren ansonsten sehr geplanten, organisierten Verabredungen ergaben.
Jede meiner Freundinnen hatte ein vollgepacktes Leben. Jede für sich jonglierte mit ihrer Beziehung, ihrer Familie, ihrem Job, ihren Hobbies und schaffte es trotz allem, mich in dieses ganze Chaos einzuplanen.
In Gedanken blätterte ich meinen Kalender durch:
Freitag Shopping mit Felicitas (geplant seit drei Wochen)
Montag Training und Essen gehen mit Yvonne (geplant seit zwei Wochen)
Und übernächste Woche Wellness mit Maren (geplant seit vier Wochen). Warum fiel es vielen Männern nur immer wieder so schwer zu planen und sich damit "verbindlich" zu machen? Das Gegenstück zu Verbindlichkeiten sind Forderungen. Lag es daran? Waren wir Mädels generell zu fordernd wenn es um unsere Beziehungen ging? Mir ist klar, dass es auch die Männer gibt, die mit Freude im Mai die Silvesterparty planen oder den Urlaub im November. Während ich noch überlege bekomme ich eine Nachricht: "ich könnte in zwei Wochen bei dir sein, kann ich dich einplanen :) ?"Ich musste lächeln. "Absolut und verbindlich :) !" antwortete ich und fragte mich im selben Augenblick ob es die Entfernung war, die uns gelehrt hatte zu "planen" oder eine Weiterentwicklung unserer Beziehung. So oder so. Ich schaute zu meiner Kollegin und konnte nicht anders als ihr mal wieder recht zu geben: "Ich weiß, was du meinst, trotz aller spontanen Dates ist es hin und wieder auch ganz schön, wenn jemand mit dir plant".


Samstag, 8. August 2015

Episode 38 - it's all in your head


Im Allgemeinen hält man Männer meist für pragmatisch und lösungsorientiert, während Frauen oft eine gewisse Emotionalität zugesprochen wird.

Es gibt unzählige Karikaturen, die dies humorvoll veranschaulichen sollen.

 

 (Quelle:http://de.webfail.com)

 


Und auch wenn ich mir oft ein Schmunzeln nicht verkneifen kann, so halte ich doch im Großen und Ganzen nicht allzu viel von dieser sehr pauschalen Kategorisierung.

Nicht, weil ich das Gefühl habe, dass es zu allgemein ist und alle Männer und Frauen in einen Topf schmeißt, sondern weil ich diese Beobachtung in den letzten Jahren weder an mir noch an anderen Freunden machen konnte.

Die Fakten sind den meisten Menschen bekannt: Die linke Gehirnhälfte denkt logisch und analytisch, die rechte Gehirnhälfte steuert die Intuition, Kreativität und Gefühle. Doch den Frauen jetzt eine verstärkte Nutzung der rechten und den Männern eine fast ausschließliche Nutzung der linken Gehirnseite zu unterstellen, wäre nicht nur zu einfach, sondern auch falsch.

Woher kommen also diese ganzen Klischees von komplizierten, emotionalen, unentschlossenen Frauen und logisch denkenden, genervten Männern, mit denen sich im Comedybereich anscheinend immer noch gut Geld verdienen lässt?

Oder anders gefragt: wo sind diese Stereotypen? Existieren sie wirklich irgendwo da draußen, weit entfernt von mir und meinem Freundeskreis?

Meine Referenz sind meine Freundinnen.

Nehmen wir zum Beispiel Yvonne. Eine hübsche, liebevolle, intelligente Frau in einer knapp einjährigen Beziehung. Auf den ersten Blick wirkt alles erst mal sehr typisch.

Sie kocht gerne, sie ist kreativ, ist zuständig für die Wohnungseinrichtung... sie strickt sogar hin und wieder. Er hat einen Bürojob, kann gut mit Geld und Zahlen und hat ein ziemlich unemotionales Verhältnis zu Dingen wie Blumenvasen oder Bilderrahmen.

Allein aus dieser Personenbeschreibung könnte wahrscheinlich selbst der schlechteste Standup Comedian einen Mann-Frau-Sketch schreiben (und genau das tun ja auch viele). Was aber in solchen Situationen selten beleuchtet wird, ist die Rolle der Frau darüber hinaus: Nicht Yvonne ist es nämlich, die hin und wieder in eine sehr grüblerische Stimmung verfällt, ihre Problem hin und her wälzt und ihre Sorgen nicht so richtig auf den Punkt bringen kann, sondern er!

 

Maren: eine wirklich tolle Freundin mit einem tollen Mann. Und lange davor einem etwas weniger tollen Exfreund. Während ich mit Maren in all den Jahren unserer Freundschaft immer und immer wieder typische „Mädchenprobleme“ analysiert und bis zum Letzten ausdiskutiert habe, mal bei einem Kaffee, mal bei einem Cocktail, wirkt sie doch stets sehr sortiert und praktisch.

Und auch hier: nie war es Maren die Schwierigkeiten hatte eine Entscheidung zu treffen, ein Problem zu schultern und zu lösen oder sich über Sinn oder Unsinn einer Idee klar zu werden...

 

Zwei Frauen, stellvertretend für viele, viele andere die ich jeden Tag beobachte. Überall.

Zum Beispiel im Supermarkt. Da wäre zum Beispiel der junge Mann, der der Verkäuferin mitteilt, dass die Milch in den unteren Regalen leer sei und man an die Packungen oben nicht ran kommen würde, während sich direkt neben ihm eine Frau auf eine Getränkekiste stellt und grinsend danach greift.

Oder der ältere Herr im Bus, der wütend mit dem Fahrer diskutiert, weil dieser ihm keinen 20,-€ Schein wechseln kann und die Dame, die nach wenigen Sekunden aufsteht, die Mitfahrenden fragt ob jemand wechseln kann und dem älteren Herrn lächelnd einen 10,-€ Schein und zwei 5er rüber reicht, damit es endlich weiter gehen kann.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto logischer kommen mir all diese Beispiele vor, denn jede dieser Lösungen erfordert Kreativität und jede Frau, spätestens mit Kind und Job, muss kreativ und lösungsorientiert denken um über den Tag zu kommen. Also ist es vielleicht etwas, was uns als Frau in die Wiege gelegt wurde. Ein Überlebenstool, das jede Frau besitzt sowie den Fluchtreflex bei Gefahr oder das Blinzeln, wenn man etwas im Auge hat.

Es ist die „Aufgabe“ der Männer, stark zu sein, für die Familie zu sorgen und als Baum im Sturm zu stehen, doch vielleicht hat die Evolution den Frauen, die immer häufiger den Spagat zwischen Mann, Kind, Freunden und Job schaffen müssen, diese logische Kreativität verschafft.

Während der Mann also noch versucht die Gedanken seiner rechten Gehirnhälfte mit den Lösungsansätzen seiner linken zu verknüpfen, ist die Frau schon eifrig dabei Lösungen vorzuschlagen.

Es klingt gemein. Es klingt unfair und doch finde ich diesen Gedanken interessant... und die Erklärung dafür tatsächlich bei Google:

Männer und Frauen nutzen ihre Gehirne tatsächlich unterschiedlich!

Bei Frauen fanden die Forscher längere Nervenverbindungen vor allem zwischen beiden Gehirnhälften, während bei Männern mehr Verknüpfungen innerhalb der Gehirnhälften bestünden.

Natürlich musste ich das gleich testen und konnte, dank Internet, auch sofort einen „Test“ zur Nutzung der Gehirnhälften finden.

Ergebnis: „47% links, 53% rechts - Glückwunsch! Du nutzt deine Gehirnhälften zu gleichen Teilen“- du musst eine Frau sein! (O.k. der letzte Satz war von mir)

( Wer den Test auch mal machen möchte: http://braintest.sommer-sommer.com/de/ )

Was nützt uns diese Erkenntnis nun aber?
Vielleicht hilft sie uns zu verstehen, dass Männer und Frauen tatsächlich etwas unterschiedlich denken. Und vielleicht können wir Frauen uns mit diesem Wissen etwas entspannen. Lassen wir sie grübeln und nach Lösungen suchen und seien wir im richtigen Moment zur Stelle. Nicht altklug und belehrend, sondern unterstützend und verständnisvoll. Denn jeder Mann möchte für seine Frau der Baum im Sturm sein. Und auch wenn wir wissen, wie wir den Wind dazu bringen können sich zu drehen, hilft es manchmal dieses Geheimnis für sich zu behalten.

Samstag, 1. August 2015

Episode 37 - Tolerieren oder Akzeptieren ?

Hin und wieder ist es gar nicht so einfach über seinen eigenen Schatten zu springen und sich seinem Gegenüber anzupassen.
Das gilt für Partnerschaften genauso wie für das Leben im Allgemeinen. Früher oder später wird allerdings auch der größte Sturkopf feststellen, dass es ohne Kompromisse und Zugeständnisse nicht geht.

Als ich eines Abends, nach einer fast belanglosen Auseinandersetzung das Handy weg legte und die Schneeflocken vor dem Fenster beobachtete, begann ich über Toleranz nachzudenken. Immer wieder werden wir um Toleranz gebeten. Auf der Straße, im Fernsehen in unserer eigenen Beziehung. Tolerant zu sein, gilt als die beste, sympathischste Eigenschaft die ein Mensch besitzen kann.
In einer Zeit, in der große Fernsehsender einen "Tolerance Day" zelebrieren, in der selbst im bunten, weltoffenen Berlin an jeder Ecke nach Toleranz gekräht wird, scheint wahre Akzeptanz verloren gegangen zu sein.
Ich hatte das Glück, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in dem mir von Anfang an beigebracht wurde, dass jeder Mensch angenommen und geliebt werden sollte.
Akzeptanz bedeutet jemanden anzunehmen, etwas anzuerkennen - wohingegen Toleranz im Duden mit "Duldung" erklärt wird.
Vieleicht tue ich mich daher mit dem Wort so schwer:
Ich finde einfach nicht, dass sich ein Mensch geduldet, sondern viel mehr angenommen fühlen sollte, aber dies nur kurz zu meinem einfachen Gedankengang.

Ich fragte mich, woher es kam, dass der öffentliche Ruf nach Toleranz mir langsam und allmählich auf die Nerven ging, unabhängig davon, für was sie erkämpft werden soll. Kann man Toleranz überdosieren?
Während ich diesen Gedanken noch formulierte, fragte ich mich, ob in dieser Frage nicht auch schon die Lösung steckte...
Egal ob ich den Fernseher einschaltete, bei Facebook surfte oder in eine Kneipendiskussion verwickelt war, es hatte immer etwas aggressives, provokantes, überspanntes.
Es schien unmöglich zu sein, während der Verteidigung des eigenen Standpunktes auch nur minimal Empathie für sein Gegenüber aufzubringen.
Im Gegenteil: da wurde beleidigt, belächelt und ignoriert.
Es war mehr als nur ironisch, dass oft die, die sich Toleranz erhofften, sehr untolerant wurden, wenn es um die Gefühle, Meinungen und Werte anderer Menschen ging.
Jeder gesunde Mensch trägt eine kleinere oder größere Portion Egoismus in sich, so viel steht fest.
Wie sollen wir aber im Leben oder in der Partnerschaft jemals dauerhaft mit einander zurecht kommen, wenn wir nur noch um eigene Duldung kämpfen, nicht aber bereit sind den Anderen von Herzen anzuerkennen und anzunehmen?
Je länger ich darüber nachdachte desto mehr stellte ich mein eigenes Verhalten in Frage. Verdammt. Das wollte ich eigentlich nicht.
Ich schielte zum Handy. Irgendwie grad doof gelaufen. Ziemlich viel "ich will..., du musst..., dein Problem ist..."
Es könnte alles so einfach sein, da hatte er recht. Aber wie bringt man sich wieder auf den richtigen Kurs, wie trainiert man Akzeptanz und woran merkt man, wann man zu viel einstecken muss? Wo ist die Beziehungswaage... oder noch besser, der Schiedsrichter, der zwischendurch immer mal wieder den aktuellen Punktestand rein ruft?
So wie beim Fechten, das fänd ich gut. Ein kleines Männchen, welches bei einem üblen Streit oder einer Diskussion aus dem Schrank springt und so etwas ruft wie "viiiiiier zuuuu seeeeeechssss, ich bitte um Ausgleich für die rote Seiiiteeee".

Inzwischen musste ich über das Telefonat fast lachen. Nein, es war nicht lustig und ja, an manchen Themen kann die ganze Beziehung zerbrechen.
Aber bei all den Konflikten in der Welt kam mir unsere Diskussion doch plötzlich sehr trivial vor...
Ich schrieb eine kurze "ich war doof, tut mir leid"-Nachricht und bekam kurz darauf eine "ja warst du... aber ohne Streit keine Versöhnung ;-)"-Antwort zurück.
Vielleicht liegt das Geheimnis eines friedlichen Miteinanders ganz einfach darin, den Anderen von Anfang an so anzunehmen und zu lieben, wie er ist. Und am Ende stimmt der alte Spruch dann wohl doch: man erntet was man sät. Wer Haß und Wut sät wird Haß und Wut ernten. Ich für meinen Teil bin mir sicher, dass es mit der Liebe und der Akzeptanz ganz genauso funktioniert.


Samstag, 25. Juli 2015

Episode 36 - Regen, Meer und Traditionen

Ich habe euch etwas vorenthalten. So wie man eine schlechte Mathearbeit unter ein gutes Diktat schiebt um es zwar auf den Tisch zu packen, es aber nicht ganz so offensichtlich zu machen. Man weiß, man muss sie irgendwann seinen Eltern zeigen, hat aber so gar keine Lust auf Fragen, Vorwürfe oder kluge Sprüche...

Es ist ein fieser Vergleich, denn Niko ist keine schlechte Mathearbeit, aber nach all den Episoden doch eine Art Tabu, über das zu schreiben mir nicht leicht fällt.

Ich würde gerne sagen, dass der Kontakt zu ihm wieder ganz langsam, vorsichtig und schleichend entstand, aber es war mehr wie ein Knall.

Von einem Tag auf den Anderen hatte ich das Bedürfnis ihm zu schreiben und er antwortete. Nach zwei Jahren, in denen ich mich dagegen gesträubt hatte, auf eine seiner Mails zu antworten hatten wir nun in zwei Wochen so viele Gefühle, Unsicherheiten und Worte ausgetauscht, dass wir es für unumgänglich befanden, uns zu sehen.

Es war ein seltsames Wiedersehen, wir waren beide sehr nervös, wir redeten die ganze Nacht durch, ohne etwas zu essen oder zu trinken.

Nach nur acht Stunden schien es, als hätten wir unsere komplette Vergangenheit aufgearbeitet und wären bereit, für eine gemeinsame Zukunft.

Ein Jahr sollte unsere Probezeit dauern bevor wir happy ever after und komplett offiziell vor all unseren Leuten zusammen leben wollten.

So vergingen die Monate.

Inzwischen war es Dezember geworden und wir planten einen Kurzurlaub. Nie zuvor hatten wir einen richtigen Urlaub zusammen gemacht.

Es war kurz vor Weihnachten als wir bei strömenden Regen ins Auto stiegen. Es regnete immer noch sinnflutartig als wir am Meer ankamen. Und als wir am nächsten Morgen aufstanden. Und als wir zu einem Spaziergang aufbrachen. Kurzum, es regnete die ganze Zeit.

Oft habe ich im Nachhinein darüber nachgedacht, was das besondere an diesem kurzen, völlig verregneten Ausflug war und ich kann es bis heute nicht 100 prozentig auf den Punkt bringen...

Es hat etwas damit zu tun, wie wir uns zusammen verhielten, wie wir auf der Veranda vor unserem Hotelzimmer saßen, eingewickelt in viele Decken und den Regen beobachteten. Wie er mich ansah wenn wir Abends im Hotel Restaurant essen gingen und wie er die Frage der Kellnerin, „möchten sie neben ihrer Frau oder ihr gegenüber sitzen?“, mit einem lächelnden „gegenüber ist gut“ beantwortete.

In solchen Momenten scheint die Vergangenheit wie ausgeblendet. Unvorstellbar, dass einer von uns je Zweifel hatte.

Es kam mir unwirklich vor wie wir, zurück in Berlin, auf der Couch lagen und Märchenfilme sahen. Es fühlte sich seltsam an, unseren Heiligabend durchzusprechen und uns auf Kartoffelsalat und Würstchen zu einigten.

Als ich am 24.12. heim kam stand das Essen schon auf dem Tisch. Ich mag Kartoffelsalat nicht wirklich, dieser aber war der Beste den ich je gegessen hatte und habe.

“Viel Mayonnaise ist das Geheimnis” sagte er grinsend “und ganz viel Liebe”.

Ich kannte Niko lange und gut genug, um diesem Satz nicht zu viel Bedeutung beizumessen, aber mir wurde in diesem Moment klar was ich fühlte.

Es war beängstigend und schön zugleich zu sehen wie wir unsere eigenen Traditionen starteten. Eine Art Neuanfang. Natürlich war es nur ein verregnetes Wochenende am Meer, natürlich waren es nur Märchenfilme auf der Couch die wir den ganzen Heiligabend sahen und natürlich war es “nur” selbstgemachter Kartoffelsalat, aber für mich war es in diesem Moment mehr. Es war der Beginn von uns. Unserer Zukunft.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich hier von Kartoffelsalat schreibe. Kartoffelsalat ist banal, einfach zu machen und insgesamt sehr unspektakulär, aber vielleicht kann ein Katoffelsalat manchmal auch der Anfang von etwas Großem sein...


Samstag, 18. Juli 2015

Episode 35 - Der nahe Osten

35 Grad, Wüste, große Samtkissen, teure Teppiche und Kamele, so hatte ich mir die arabischen Länder immer vorgestellt. Seit Disneys Aladin war ich fasziniert (und ein wenig besessen) von der fremden Kultur, der Idee, in einem Jeep durch die Sanddünen zu fliegen, bequem eingekuschelt in eine große Kissenlandschaft eine Shisha mit Apfelaroma zu rauchen und dabei Bauchtänzerinnen zu beobachten.
Zugegeben, selbst mir kam diese klischeehafte Vorstellung etwas überzogen vor. Die Neugier, diese Ecke der Welt näher kennen zu lernen, blieb aber dennoch.
Als ich also mit meiner lieben Freundin Yvonne überlegte, wohin wir im November vor dem Berliner Wintereinbruch fliehen könnten, brachte ich ziemlich schnell, wenn auch vorsichtig, Dubai und Abu Dhabi auf den Tisch und einige Wochen später standen wir tatsächlich mit gepackten Koffern am Flughafen Tegel am Check in von Etihad Airlines, bereit Abu Dhabi einen Besuch abzustatten.
Wenig hatten wir uns im Vorfeld über dieses Land informiert. Wir kannten die Touristen-Basics: keine zu kurzen Sachen tragen, kein öffentlicher Verkauf von Alkohol, keine Flirts oder Berührungen in der Öffentlichkeit.Yvonne und ich waren nie die Reisetypen, die sich im Vorfeld groß über Land und Leute informierten. Wir plumpsten lieber immer mitten rein und ließen uns verzaubern und mitreißen.
In Abu Dhabi angekommen wurde uns schnell klar, dass wir uns in einem Land befanden, dass vor offensichtlichem Reichtum nur so strotze.
Und tatsächlich machten wir all die Dinge die Touristen nun mal so machten. Wir gingen auf eine Wüstensafari, ließen uns die Knöchel mit Henna bemalen, beobachteten Falken bei der Jagd, rauchten Shisha in einer Kissenlounge bei Sonnenuntergang und genossen die Aussicht vom höchsten Turm Dubais.
All das war faszinierend und wunderschön und doch gab es so viel mehr in diesem Land was mich faszinierte. Die Leidenschaft der Menschen immer wieder neue Rekorde aufzustellen zum Beispiel. Es wurde für Yvonne und mich zu einem Spiel zu erraten, welches größte, höchste, schwerste, schnellste Wunder man uns als nächstes präsentieren würde.
Die Einstellung der Menschen zum Leben, zu Geld und zum Risiko. Einen 830 m hohen Turm in die Wüste zu bauen mit dem Wissen, dass ein Erdbeben diesen zu Staub zerfallen lassen würde und dies mit einem „„Gott gibt und Gott nimmt““ hin zu nehmen und die Art und Weise wie Männer und Frauen miteinander umgingen.
Natürlich respektierten wir die strengen Auflagen und Regeln des Landes, auch wenn ich nicht bestreiten kann, dass wir die Anweisung im Bezug auf Kleidung, Beziehung und Alkohol als deutsche Großstädter etwas belächelten.
Oft saßen wir Abends am Pool oder am Strand, sprachen über Beziehungen, Altlasten aus vergangenen Beziehungen, Ängste und Eifersucht.

Als wir eines Abends mit einen 17€ Cocktail am Pool saßen, Yvonne eifrig mit ihrem neuen Freund schrieb und ich an Niko dachte, konnte ich nicht anders, als mir ein Leben unter diesen Bedingungen vorzustellen. Wie viel wäre wohl anders gelaufen wenn ich nicht in Berlin geboren worden wäre sondern in Abu Dhabi. Wie würde mein Leben heute aussehen? Wäre ich verheiratet? Hätte ich Kinder? Wäre ich glücklicher? Unglücklicher?

Wir halten uns für so privilegiert in Deutschland geboren worden zu sein. Einem Land, in dem so gut wie jede Lebensentscheidung, so lange sie niemandem schadet, akzeptiert wird. Wir haben die Freiheit zu tragen was wir wollen, zu leben wie wir wollen, zu trinken und dumme Entscheidungen zu treffen so oft wir wollen.
Macht uns das glücklicher? Freier? Vielleicht ist diese Vielzahl von Möglichkeit tatsächlich eine Art Falle in die wir blind hineinlaufen wie Mäuse in ein Papplabyrinth. Vielleicht ist es genau das, was uns in Wahrheit verrückt macht und uns bis Mitte / Ende dreißig etwas orientierungslos durch die Straßen der Großstädte irren lässt. Möglichkeiten.
Niko war vor einigen Monaten wieder in mein Leben zurück gekehrt.
Zu viele Möglichkeiten. Ich musste lächeln während ich den letzten Rest aus meinem Cocktailglas löffelte. Das brachte es ganz gut auf den Punkt.

Yvonne packte ihr Handy zur Seite, griff zu ihrem Glas und blickte mich fragend von der Seite an. „Woran denkst du gerade?“

„“An Niko““ sagte ich kurz, „“mal sehn wie es weiter geht, es gibt 100 Möglichkeiten““.

Jetzt lächelte Yvonne zurück. „Das ist doch super. So aufregend, ein richtiges Abenteuer““.


Einen zweiten Cocktails gönnten wir uns nicht. Am nächsten Tag ging es zurück nach Berlin. Dahin, wo die Cocktails bezahlbar, die Liebesbekundungen öffentlich und die Abenteuer die auf mich warten spannender sind, als es jede Wüstensafari je sein könnte.